Kommunikationsstörungen
Mit
anderen Menschen in Kontakt zu sein, mit ihnen zu kommunizieren,
prägt unser Leben von Anfang an entscheidend. Bereits die
Entstehung eines menschlichen Individuums basiert auf einem
kommunikativen Prozess: der Vereinigung zweier Menschen.
Das
werdende Kind erhält im Mutterleib Informationen über
die
Befindlichkeit der Mutter, ihre emotionalen Reaktionen oder
über die Musik, die sie mag. Umgekehrt spürt die
Mutter (und direkt oder indirekt meist auch der Vater) zunehmend, wie
sich ihr Kind lebhaft äußert. Diese Wahrnehmungen
prägen Phantasien über das Kind wie auch die
Familiengeschichte und die – bewussten wie unbewussten
– Erfahrungen mit
dem eigenen Werden.
Solche
frühen Kommunikationsformen schaffen die Basis für
die zunehmend bedeutsamer werdende Entwicklung der Sprache,
des zentralen Mediums der menschlichen Verständigung.
Entsprechend stark wirken sich Beeinträchtigungen im
kommunikativen Bereich
auf die psychische Entwicklung und die Entfaltung der
Persönlichkeit aus –
und umgekehrt.
Während
sich die empirische psychologische Forschung (einschließlich
der Psychotherapieforschung) zumeist auf sprachlich oder numerisch
abbildbare Phänomene beschränkt, ist für die
Behandlung psychischer Störungen ein Sensorium für
Sprache in einem weiteren Sinne vonnöten.
So spricht z.B. Ferenczi (1933) von der Sprache der
Zärtlichkeit (kindliche Bedürftigkeit,
Wunsch nach Zuwendung und Kontakt) und der Sprache der
Leidenschaft (darüber hinausgehende, u.a. sexuelle,
Bedürfnisse der Erwachsenen), wobei es im Gebrauch dieser
Sprachen zu Verständigungsschwierigkeiten und
Fehlinterpretationen mit schwerwiegenden Folgen kommen kann.
Auch
intrapersonale, sich innerhalb der eigenen Person abspielende
Fehldeutungen (wenn etwa ein psychischer Spannungszustand als Hunger
interpretiert wird) können mit frühen
Kommunikationsstörungen in Zusammenhang stehen
(bereits das Schreien des Babys wurde zu durchgängig nur als
Zeichen von Hunger gesehen).
Fortgesetzt
misslingende oder unterbleibende Kommunikationsversuche,
verkannte oder unerkannte Bedürftigkeiten haben nicht selten
psychische Probleme zur Folge, die psychotherapeutisch zu behandeln
sind.
Eine
wesentliche Bedeutung kommt hier der
analytischen Psychotherapie
bzw. der Psychoanalyse zu, da diese Verfahren auf einer kommunikativen
Situation
basieren, die in besonderer Weise den Raum für eine
Bearbeitung der Probleme verfügbar macht und neue Erfahrungen
ermöglicht
(z.B. Schneider, 2003).
Literatur
Ferenczi,
S. (1933). Sprachverwirrung zwischen den Erwachsenen und dem Kind: Die
Sprache der Zärtlichkeit und der Leidenschaft.
In S. Ferenczi, Schriften zur Psychoanalyse (Bd. 2,
S. 303-313). Frankfurt a.M.: Fischer [1982].
Schneider,
G. (2003). Das kommunikative Setting der Psychoanalyse. In D. Weimer
& M. Galliker (Hg.), Sprachliche
Kommunikation: Ansätze und Perspektiven
(S. 110–115).
Heidelberg, Kröning: Asanger.
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